Politik und Gesellschaft

NetzDG zieht an – Youtube, Facebook und Co. löschen immer mehr Konten und Beiträge

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Wie lange dürfen wir noch unsere Meinung sagen? Dürfen wir überhaupt noch unsere Meinung sagen oder ist das bereits – Neudeutsch – eine Hassrede, wenn wir etwas von uns geben, was nicht konform mit der Meinung unserer Politik geht? Was ist Hassrede denn überhaupt? Und wer entscheidet, was Hassrede ist?

Am 30. Juni 2017 wurde ein Gesetz in Deutschland verabschiedet, dass weitgehend unbeachtet blieb. Man nannte es Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Und man meinte es ernst. Dieses Gesetz richtet sich gegen Hetze und gefälschte Meldungen -so genannten Fake News –  in sozialen Netzwerken  und trat am 1. Oktober des gleichen Jahres in Kraft.

Soziale Netzwerke erhalten fortan eine empfindliche Strafe, wenn sie gewisse Dinge durchgehen lassen, die die Regierung, die dieses Gesetz erlassen hat, im Einzelnen nicht wirklich definiert hat. Hassrede.

Reporter ohne Grenzen und andere Kritiker sprachen bereits vor dem 30. Juni von einem „Schnellschuss“, der „das Grundrecht auf Presse- und Meinungsfreiheit massiv beschädigen könnte.“ Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Beiträgen würden privatisiert. Mit anderen Worten: Der Betreiber des sozialen Netzwerkes entscheidet, was „Fake News“ oder „beleidigend“ ist.

Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit kritisierte, das geplante Gesetz gefährde die Menschenrechte. Bei einer Anhörung im Bundestag hielten fast alle Experten den Entwurf für verfassungswidrig.

Das NetzDG scheint am ehesten noch eine Scheuklappenverordnung zu sein, verbunden mit einem Maulkorb. Kann man das noch Meinungsfreiheit nennen? Und so hat auch lediglich die Regierungsfraktion dafür gestimmt, die Grünen haben sich feige herausgehalten, die Linken waren dagegen.

Unsere gerade neu vereidigte Bundeskanzlerin war bei den ersten, die auf die „Fake News“-Rufe, die uns aus dem US-Wahlkampf noch in den Ohren hallen, reagiert hat. Ordnung muss sein. Alles muss sauber bleiben. Reinweiß am besten. Gebleached, wie die 33.000 eMails der Frau Clinton. Denn darin sind sich beide Damen aber offenbar einig: Es muss alles weg, was die „öffentliche Ordnung“ stören oder „unangenehm“ beeinflussen könnte.

Man definiere stören und unangenehm.

Wikipedia: „Nach Darstellung des Bundesjustizministeriums werde der Maßstab, was gelöscht oder gesperrt werden müsse, nicht von den sozialen Netzwerken gesetzt.Maßgeblich sind allein die deutschen Strafgesetze. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz schafft also keine neuen Löschpflichten. Es soll vielmehr sicherstellen, dass bereits bestehendes Recht eingehalten und durchgesetzt wird.

Hier stellt sich die Frage, ob man nach Artikel 5 des Grundgesetzes überhaupt zensieren darf, wenn es nicht gerade gegen Absatz (2) verstößt. Hassrede bezieht sich allerdings auch auf „Fake News“, also Falschmeldungen, und wer will denn entscheiden, welche Meldung falsch oder richtig ist. Wollen die sozialen Medien dem jetzt hinterher recherchieren?

Artikel 5 Grundgesetz Meinungsfreiheit
Artikel 5 Grundgesetz Meinungsfreiheit

Die ersten Verurteilungen gab es bereits. Auch bei uns. Weil jemand sich traute, trotz allem die Wahrheit zu sagen. Seine Wahrheit oder sogar eine allgemeine, belegbare Wahrheit. Aber gibt es da einen Unterschied? Muss man da wirklich differenzieren?

Wer als Nutzer gegen eine Löschung oder Sperrung seiner Inhalte oder seines Kontos vorgehen will, bekommt bei diesem Gesetz keine Möglichkeit zur Gegenwehr. Wer als Anbieter wiederholt und systematisch gegen das Gesetz verstößt, dem droht ein Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro.

Bei Facebook, youtube und allmählich auch bei Twitter und anderen sozialen Netzwerken werden inzwischen immer fleißiger User gesperrt, Konten gelöscht oder Beiträge entfernt. Der Druck ist groß. Und so kommt es manchmal auch zu wirklich lächerlichen Entscheidungen, bei denen weder Hassreden noch Fake News zu erkennen sind, sowie zu einem aufblühendem Denunziantentum, das eher an ein totalitäres Regime als an ein demokratisches Staatssystem erinnert. Lafontaine erklärte in einem Interview im Jahre 2016, Deutschland sei eine Oligarchie, die lediglich die Interessen von 10% der Bürger berücksichtige. Damals hatten wir noch keine Probleme mit der Meinungsfreiheit. Aber diesen Punkt können wir seinen eigenen Erklärungen inzwischen hinzufügen. Denn das, was die meisten nicht wollen, wurde gerade auf Gesetzesebene durchgesetzt. Wir haben gelernt: Was gegen den Willen des Volkes geschieht, ist nicht demokratisch.

https://www.youtube.com/watch?v=tuKSUChavFo

Zum 1. Januar 2018 ist die Übergangsfrist abgelaufen, innerhalb derer Unternehmen sich auf die Forderungen des NetzDG einstellen mussten.

Wie neu dieses Wort „Hassrede“ ist, zeigt sich übrigens alleine schon daran, dass mein Rechtschreibprogramm es nicht kennt. Es ist ein Import aus den USA und die deutsche Politik ist natürlich sofort wieder auf den Zug mit aufgesprungen und hat daraus ein Gesetz entwickelt, das uns ein Recht nimmt, das sogar im Grundgesetzt verankert ist.

Wir sind schon ganz schön weit gekommen …

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