Politik und Gesellschaft

Seehofer: „Die meisten Fake News werden in Deutschland produziert, von Medien wie von Politikern.“

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Mutiert Innenminister Seehofer zu einem neuen Trump für Deutschland? Das jedenfalls meint die selbstverständlich  immer die Wahrheit schreibende Qualitätspresse. Erstaunliches hört man derzeit aus dem Mund eines Politikers, der bis jetzt wenig Stamina gezeigt hat und immer wieder umfiel, beziehungsweise sich „überzeugen“ ließ, doch mal bitte wieder einen oder auch ein paar mehr Schritte zurückzutreten, um seine soeben noch gesagte Meinung zu relativieren.

So soll er nun tatsächlich wieder einmal vorgeprescht zu sein und gegenüber dem Blatt seines Vertrauens, der Augsburger Allgemeinen, geäußert haben, dass das ZDF Fake News verbreiten würde.

Der Anlass ist eher nichtig, aber Seehofer offenbar wichtig genug, um es zu dementieren. Er bestreitet, dass er darauf dränge, Alexander Dobrindt als Gegenkandidaten zu Markus Söder im Rennen um den Parteivorsitz aufzustellen und kommentiert das angeblich mit den Worten:

„Falsch, falscher, ZDF.“

Horst Seehofer hat gelegentlich solche Momente, wo er offenbar nicht anders kann, als die Wahrheit zu sagen. Eine dieser herausragenden Begebenheiten geschah 2015, als er uns bestätigte, was wir schon längst wussten. Dennoch, es war erfrischend, es einmal aus dem Mund eines Politikers zu hören:

„Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.“

Hatte er Politiker etwa gerade korrupt genannt? Sind sie etwa durch Bestechung zu beeinflussen? Oder haben sie eine Leiche im Keller, die niemand sehen soll? Wie also bekommt man Politiker dazu, etwas zu tun, was sie vielleicht gar nicht tun möchten, aber sie tun es, weil „irgendeine Macht“ hinter ihnen es befiehlt?

Aber nein, es gibt den Deep State natürlich nicht und auch keine Schattenregierung. Das wissen wir spätestens aus den Medien, die uns immer wieder versichern, dass das großer Quatsch ist und man es abheften kann bei den üblichen Verschwörungstheorien, über die man nur lachen kann. Das Volk ist aber wirklich mit allem zu beeindrucken!

Aber Moment – hat Seehofer da nicht gerade nachgelegt? Ihm muss wirklich wieder mal der Kragen geplatzt sein, denn nun behauptet er allen Ernstes, dass die Medien lügen?!

In einem Interview mit der Rhein-Necker-Zeitung erklärte er im Juni 2018 auf die Frage, ob er denn noch mit Merkel zusammenarbeiten könne, denn das Verhältnis zu ihr sei doch zerrüttet:

„Leider werden Nachrichten heute selbst im Qualitätsjournalismus nicht mehr überprüft. Es gibt immer mehr Falschmeldungen. Die Medien sind in einer Krise. Wir reden immer über die Gefahren russischer Einflussnahme über Fake News. Wir müssen nicht nach Russland schauen. Die meisten Fake News werden in Deutschland produziert, von Medien wie von Politikern.“

Dass dies nun einen Medien-Shitstorm auslösen würde, war klar. So war die FAZ auch wieder ganz vorne mit dabei und meinte unter der Headline „Wenn Seehofer den Trump gibt“:

„Seehofer poltert gegen die Medien, als hätten sie ihm nie in die Hände gespielt: Es sieht nicht gut aus für die politische Kultur im Umgang mit Presse und Meinungsfreiheit.“ Weiter geht es: „Er unterstellt den deutschen Medien nebst ungenannten Politikern gezielte Falschinformationen in einem Ausmaß, dass sie die Demokratie schädigen.“ „Man muss solche Aussagen als Angriff auf die freie Presse begreifen, die in geradezu trumpöser Weise ohne Belege geschehen. Wo und wer diese Falschnachrichten verbreitet hätte, wird gar nicht erst versucht zu erklären.“

Der Stern meinte, Seehofer befände sich im Windschatten Trumps und die HuffPo kann sogar mit Wissenschaftlern und „Experten“ glänzen, die behaupten, dass das alles Quatsch ist. Nicht die Presse befindet sich auf Abwegen, sondern der Seehofer höchstselbst, der sich gerade in eine gefährliche Nähe zu Trump, AfD und Pegida begebe.

Offenbar haben diese Experten das Interview nicht gelesen, sonst  hätten sie bemerkt, dass auch folgender Satz gefallen ist, da geht es darum, warum die CDU/CSU enorme Einbußen hat hinnehmen müssen:

„Die CSU stellt den Bundesinnenminister und der muss dafür sorgen, dass wieder Recht und Ordnung herrschen. Wenn das geschieht, wird der Spuk der AfD vorbei sein. Im Bundestagswahlkampf hatten wir ein doppeltes Vertrauensproblem: Das eine war Angela Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik, das andere, dass sich die CSU nicht durchsetzen konnte.“

Seehofer nennt die AfD also einen Spuk. Das klingt nicht gerade so, als wäre man sich einig. Allerdings wird heute jeder in die rechte Ecke gestellt, der sich gegen Merkels Einwanderungspolitik sträubt und am Ende damit noch auf gleicher Linie wie Trump liegt. Und auch mit der AfD darf man noch nicht mal punktuell einer Meinung sein.

Schubladendenken ist ja so einfach. Und Framing auch. Das entsteht, wenn man wichtige Details, zum Beispiel aus einem Interview, weglässt, um seinen eigenen Bias, sein Vorurteil, deutlicher vermitteln zu können. Dazu darf man durchaus auch wieder Fake News sagen.

Seehofer hat zur Flüchtlingskrise übrigens einen vernünftigen Ansatz, nämlich den, den Menschen in ihren Ursprungsländern zu helfen. Sagt Trump übrigens auch. Kaum jemand möchte wirklich seine Heimat verlassen, wenn die Bedingungen dort so sind, dass er mit seiner Familie dort ein Leben führen kann, in dem Armut, Gewalt und Hunger keine Rolle mehr spielen.

Seehofer hat erkannt, dass man Kulturen nicht einfach so vermischen kann, schon gar nicht, wenn dies innerhalb kürzester Zeit staffinden soll und die Regierung die daraus entstehenden Probleme auch nicht annähernd in den Griff bekommt. Eine solche Kritik nennt man heute rechts. Das ist auch wieder Framing, denn wir haben bereits in der Schule gelernt, dass Rechts böse ist. Ja, das ist wirklich nicht zu verstehen, dieses Schubladendenken.

Was das Vertrauen der Deutschen in die Medien betrifft, das sei 2017 wieder gestiegen, meint eine „Langzeitstudie „Medienvertrauen“ des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz. Die „Lügenpresse“-Hysterie ebbe ab, heißt es dort. So hätten 2017 nur noch 13 Prozent der Deutschen die Aussage bejaht, dass die Bevölkerung von den Medien systematisch belogen werde. Ein Jahr zuvor seien es noch fast 20 Prozent gewesen.

Bei den Amerikanern ist es umgekehrt: Mehr als zwei Drittel der Amerikaner, volle 72 Prozent, glauben, dass „traditionelle Nachrichtenagenturen wissentlich falsche oder irreführende Geschichten berichten“, so eine Umfrage von Axios/SurveyMonkey. Nimmt man nur die Republikaner, dann sind es sogar 92%, die den Medien nicht mehr vertrauen.

Offenbar haben die Amerikaner uns wohl eines voraus: Den Durchblick zumindest in dieser Hinsicht. Viele stehen bereits in den Startlöchern und sind bereit, um ihre Freiheit und die ihrer Kinder zu kämpfen, während man bei uns dafür nur ein müdes Lächeln übrig hat. Warum auch? Schließlich ist bei uns die Welt doch völlig in Ordnung. Nach dem Feierabendbier schläft der Durchschnittsdeutsche offenbar den Schlaf der Gerechten.

Übrigens gab es mal eine Zeit, da haben sich Journalisten noch für eine Zeitungsente entschuldigt. Also für eine falsche Berichterstattung. Sie haben den Beitrag dann berichtigt.

Das ist übrigens noch gar nicht so lange her.

Der Verfall unserer Kultur und unserer Werte schreitet immer schneller voran. Aber langsam genug, sodass die meisten es nicht merken, wie mir scheint. Möglicherweise sind wir aber auch einfach nur dümmer geworden.

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